„Unser Bundesland ist über seine Grenzen hinaus für seine einzigartige Natur und Landschaft bekannt. Die Mittelgebirgslandschaften von Rhön, Spessart, Vogelsberg, Taunus, Westerwald und Odenwald, die Auenlandschaften von Rhein, Fulda, Eder und Lahn, die Weinberge des Rheingaus und der Bergstraße, die Seen des Waldecker Landes oder auch die GrimmHeimat in Nordhessen bieten Raum für Erholung, Genuss und Naturerlebnisse. Das sind perfekte Voraussetzungen für unseren Tourismus im ländlichen Raum. Mit der weiterentwickelten Landtourismusstrategie schlagen wir ein neues Kapitel auf: Nachhaltigkeit, Natur und Umweltschutz werden künftig eine große Rolle spielen, denn unsere Gäste im ländlichen Raum sind Reisende, die das Naturerlebnis suchen“, erklärte die für den ländlichen Raum zuständige Umweltministerin Priska Hinz auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Hotel- und Gastronomieverband DEHOGA Hessen e.V.
Über die Hälfte aller potentiellen Hessen- Urlauberinnen und -Urlauber interessieren sich für einen Natururlaub. Das passt gut zu Hessen, denn knapp 50 Prozent der Gesamtfläche bestehen aus Nationalparkfläche, Naturparken oder Biosphärenreservaten. Bezogen auf die gesamte Fläche verfügt kein anderes Bundesland über eine so große Anzahl von geschützten Naturlandschaften.
„Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, dass wir uns mit der neuen Landtourismusstrategie auf den Weg machen. Die Coronakrise hat dem Hotel- und Gastronomiegewerbe schwer zugesetzt. Es ist richtig, dass erste Lockerungen unter Wahrung des Gesundheitsschutzes in Kraft getreten sind. Der weitere Verlauf hängt davon ab, wie sich die Infektionszahlen entwickeln. Viele Menschen werden daher ihren Urlaub in Deutschland machen. Hessen ist ein attraktives Urlaubsziel und der Tourismus auf dem Land wird Fahrt aufnehmen. Hier kommt unsere Landtourismusstrategie goldrichtig. Für die Umsetzung stehen in den kommenden Jahren rund 2 Millionen Euro zur Verfügung“, sagte Hinz.
Was ist neu an der Landtourismusstrategie?
„Wir wollen den Tourismus strategisch weiterentwickeln und nicht einfach nur mehr Wander- und Fahrradwege bauen. Das bedeutet: Wir richten uns an einer Zielgruppe aus, deren Aufenthaltsdauer wir steigern wollen und fokussieren uns künftig auf bestimmte Themenfelder. Touristische Angebote wollen wir außerdem zusammendenken und mit ganzheitlichen Konzepten arbeiten. Ziel ist es, Wertschöpfung und Stabilität in die ländlichen Räume zu bringen“, so Hinz.
„Die Landtourismusstrategie nimmt das Urlaubs- und Naturerlebnis in den Blick und kann dabei auf authentische Gasthäuser und in der Region verwurzelte Orte der Einkehr und Begegnung zählen. Für das Gastgewerbe ist es gelungen, die Belange der Gastronomie von Anfang an und konsequent in die Strategie einzubeziehen – gemeinsam mit dem Know-how aller anderen zentralen Beteiligten. So stellen wir uns Vernetzung auch auf lokaler Ebene vor, die eine wichtige Voraussetzung für einen wertschöpfenden und nachhaltigen Tourismus im ländlichen Raum darstellt. Das ist gerade in den vor uns liegenden Monaten ein noch wichtigeres Signal“, sagte Julius Wagner, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gastronomieverbands DEHOGA Hessen e.V.
Auch Hartmut Reiße vom Hessischen Tourismusverband (HTV) begrüßt das gemeinsam erarbeitete Papier: „Mit den unter allen Akteurinnen und Akteuren abgestimmten Handlungsempfehlungen kann es gelingen, die Aspekte Naturerlebnis, Regionalität und Wertschöpfung noch stärker in unseren ländlichen Tourismusdestinationen zu verankern.“ Entscheidend sei nun, „dass in den nächsten Jahren eine konsequente Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen erfolgt. Hieran wird sich der HTV maßgeblich beteiligen“, so Reiße weiter.
Die Strategie zeichnet sich durch konkrete Handlungsempfehlungen aus, einige Beispiele sind:
- Bedeutung des Themenbereichs Natur steigern: Weil das Naturerlebnis ein wesentliches Motiv für einen Urlaub auf dem Land ist, soll das Bewusstsein für diese wichtige Ressource für den Wirtschaftsfaktor Tourismus bei den Beteiligten vor Ort gestärkt werden. In Frage kommen dafür Bewusstseinskampagnen und Informationsveranstaltungen für Akteure in der Tourismusbranche.
- Vernetzung der touristischen Angebote weiterentwickeln: Die Naturlandschaften in Hessen sind durch ein gut ausgebautes Rad- und Wanderwegenetz touristisch erschlossen. Mit Blick auf die genannten Zielgruppen und Trendentwicklungen ist die bloße Bereitstellung einer Wegeinfrastruktur langfristig betrachtet jedoch nicht wettbewerbsfähig. Die Gäste möchte in die Natur eintauchen und die regionaltypischen Besonderheiten der Region kennenlernen. Aber auch Waldbaden, Waldyoga, Riech- und Barfußpfade sowie weitere Angebote können eine Destination attraktiver und bekannter machen. Dafür müssen die Aktiven in der Tourismusbranche ganzheitliche Konzepte entwickeln.
- Nachhaltigkeit in die Naturangebote integrieren: Urlaubsgäste, die Natur erleben wollen, möchten ihren Aufenthalt insgesamt nachhaltig gestalten. Damit Urlauber solche Angebote im ersten Schritt überhaupt finden und buchen, muss das Marketing stärker auf diese Zielgruppe und die Nachhaltigkeitsaspekte im Angebot ausgelegt werden. Besonders gelungene Marketingangebote sollen dafür als Vorbild dienen. Auch bedarf es einer besseren Ansprache der Zielgruppe vor Ort in den Hotels und Restaurants. Hier überzeugen z.B. regionale und gesunde Speiseangeboten sowie Konzepte zur Ressourcenschonung (Plastik- und Abfallvermeidung). Mit Schulungen und Informationsangeboten sollen die Anbieter vor Ort fit gemacht werden, um z.B. regionale und biologische Produkte in ihren Küchen einzubinden. Das kommt auch der regionalen Landwirtschaft zugute.
- Wellness- und Gesundheitsangeboten in den Naturlandschaften aktivieren: Alle Aspekte von gesunder Lebensführung (Ernährung, Achtsamkeit, Sport) sollten bei Angebotsentwicklung und Bewerbung eine Rolle spielen. Das gilt beispielsweise auch für die kulinarischen Angebote am Rande von Fahrrad- und Wanderwegen gemäß den Ernährungsgewohnheiten und Erwartungen unserer Zielgruppen. Im Sommer freut sich ein Fahrradausflügler auch auf einen erfrischenden Fruchtsaft und Gartensalat statt Schnitzel mit Pommes. Hier wollen wir gemeinsam mit den Fachverbänden HTV und DEHOGA nach guten Lösungen suchen und beispielsweise Informationskampagnen und Beratungsangebote für Leistungserbringer anbieten.
- Förderangebote im Gastgewerbe ausweiten: Um das Angebot an Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten zu stärken, sollen, unter Beachtung der regionalen Besonderheiten, vorhandene Möglichkeiten der Förderung überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Dies betrifft etwa die Förderung von investiven Maßnahmen im Gastgewerbe, beispielsweise durch eine Ausweitung des Kreises der möglichen Förderempfänger. Ein Programm gegen das Gaststättensterben, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, ist bereits in Planung. Es soll Investitionen zu besseren Konditionen für einen größeren Empfängerkreis geben als dies bisher der Fall ist.
„In der Regionalentwicklung fördern wir schon jetzt Kleinstunternehmen im Gastgewerbe, wie Gaststätten oder Betreiber von Ferienwohnungen. 2019 konnten wir damit 23 Betriebe mit Zuschüssen von 1,2 Mio. Euro unter die Arme greifen. 2020 wurden trotz der Coronakrise bereits 10 Betriebe gefördert. Die Fördersumme beläuft sich auf 450.000 Euro“, fügte Hinz hinzu.
- Bewusstsein für Regionalität schaffen: An zahlreichen Orten gibt es touristisches Potenzial, das nicht richtig erschlossen ist. Vielen ist z.B. die Hutfabrik Wegener in Lauterbach nicht bekannt, deren Hüte schon J.R. Ewing aus Dallas trug und die seit 1964 immer wieder die deutschen Olympioniken ausstatten. Besucher können sich ein eigenes Exemplar im Fabrikverkauf in der Hutique zulegen. Kleine, familiengeführte Handwerksbetriebe haben mehr touristisches Potenzial als bislang beworben. Deshalb gilt es, diese potenziellen touristischen Schätze zu entdecken und im Marketing zu berücksichtigen.
- Bestehende Netzwerke erweitern: Die Landtourismusstrategie nimmt alle relevanten Partnerinnen und Partner vor Ort in den Blick, die bisher in der touristischen Landschaft nicht vorkommen, obwohl sie wichtig sind. Dazu gehören lokale Erzeugerinnen und Erzeuger (z.B. Käsereien, Ateliers etc.), die Einwohnerschaft oder auch die Industrie- und Handelskammer. Die bestehenden Netzwerke müssen daher ausgeweitet und angepasst werden. Neue Kooperationen sollen entstehen, um die regionale Wertschöpfung zu stärken. Dazu gehören Landwirte, Hofläden, Gastwirte, die örtliche Käserei und das Tourismusmarketing an einen Tisch – eine bisher noch nicht geläufige aber vielversprechende Zusammensetzung.
Wie geht es weiter?
Die Hessen Agentur wird den weiteren Prozess federführend übernehmen. Auch der Hessische Tourismusverband wird in die Umsetzung und Verstetigung eng eingebunden. Als nächstes müssen für die Umsetzung die dafür erforderlichen Partner und Handlungsschritte definiert werden. In einem jährlichen Umsetzungsbericht wird der Fortgang der Landtourismusstrategie dokumentiert. Alle Beteiligte, die bei der Entwicklung der Landtourismusstrategie mitgewirkt haben, werden den Prozess auch weiterhin begleiten und wenn nötig nachsteuern.
Weitere Informationen:
Hier steht Ihnen die komplette Landtourismusstrategie als DOWNLOAD zur Verfügung: https://umwelt.hessen.de/sites/default/files/media/landtourismusstrategie.pdf